Der 2275 Meter hohe Kronplatz im Pustertal ist der wichtigste Skiplatz Südtirols. Über 30 Lifte führen zum Gipfelplateau, auf dem sich zahllose touristische Einrichtungen verteilen. Seit Ende Juli das „Messner Mountain Museum Corones“ eröffnet hat, ist der Kronplatz um noch eine Attraktion reicher. Das MMM Corones (Ladinisch für Krone) ist das letzte von nun sechs Museen, in denen Reinhold Messner verschiedene Aspekte der Berge und ihrer Bezwinger thematisiert. Wieder hat der weltberühmte Extremsportler Material aus seiner Sammlung von Kunstgegenständen und Bergsteigerreliquien zur Verfügung gestellt. So möchte er dem Besucher einen assoziativen Zugang zu seiner Welt ermöglichen – auf dem Kronplatz unter dem Motto „Große Wände und traditioneller Alpinismus“. Während der Massentourismus am Berg den Naturaffinen innerlich auf Distanz gehen lässt, weckt die Kombination der Namen Hadid und Messner die gewünschte Neugier. Das ist natürlich kein Zufall: Mit der Verpflichtung der Pritzker- Preisträgerin wollte der Bauherr, das Liftbetreiberkonsortium „Skirama Kronplatz“, dem Berg auch im Sommer die Besucher sichern. Dass ein solches Konzept funktioniert, beweisen die Olympiaschanze (2003) und die Hungerbergbahn (2007) in Innsbruck – beide ebenfalls von Zaha Hadid. Zunächst sollte auf dem Kronplatz eigentlich nur ein abseits der Liftanlagen gelegener Rastplatz zu einer spektakulären Aussichtsplattform ausgebaut werden. Dann stieß Reinhold Messner zu dem Projekt. Er erkannte das Potenzial und entwickelte, nicht uneigennützig, die Idee (s)eines Museums. Diese Vorgeschichte und verlockende Fotos im Kopf, kommt man mit gewissen Erwartungen auf dem Berg an – und muss das Museum erst einmal suchen. Orientierung gibt schließlich der Besucherstrom, der zum westlichen Rand der Kuppe strebt. Dort befindet sich eine kleine Erhebung, die an einen zu steil aufgeschütteten Erdhaufen denken lässt. Ihre seltsam künstliche Erscheinung wirft die Frage auf, ob das so beabsichtigt ist oder ob vielleicht noch Material nachgeliefert wird. Auch der relativ kleine Eingang, ein aus dem Erdreich ragendes Betonauge, dämpft die Erwartung. Umso größer ist die Überraschung nach Betreten des Gebäudes. Von der Lobby blickt man auf eine weiter unten liegende Ebene, von der aus drei Raumstränge noch weiter hinab zu „fließen“ scheinen. Das verblüfft, denn die Dimension dieses Kontinuums entspricht nicht der äußeren Erscheinung. Vielmehr hat man das Gefühl, dass es nun weit in den Berg hinein geht. Unterstützt wird dieser Eindruck durch die anthrazit eingefärbten Oberflächen der 270 vorgefertigten Betonschalen, aus denen der Bau besteht; die Farbe ist laut Hadid eine Referenz an tiefer liegendes Gestein. Geleitet von Lichtstreifen, die in die Decke eingelassen sind, folgt man dem ersten Impuls und läuft die Treppenkaskade hinab – zunächst vorbei an den Exponaten, die man sich später ansehen kann. Tief im Berg landet man aber nicht. Vielmehr fällt an den Enden der drei fingerartigen Räume durch raumhohe Fenster gleißendes Licht. Hat man sich an die Helligkeit gewöhnt, wird der Sinn der Wegeführung deutlich: Die Öffnungen fokussieren auf Ausblicke in die umliegende Bergpracht. Vom waghalsig auskragenden Balkon vor einem der Räume bietet sich gar ein 240-Grad-Panorama auf Berge, die das Herz jedes Wanderers höher schlagen lassen: die Marmolada im Süden (3343 m), der Ortler im Westen (3899 m), die Zillertaler Alpen im Norden. Spätestens jetzt ist jede Skepsis verflogen. Nun tut es nichts mehr zur Sache, dass Messner die Idee der „Augen“ und des Balkons für sich reklamiert. Immerhin bezeichnet er Hadid als „große Künstlerin“, die seine Ideen in Raum umgesetzt habe. Das ist insofern interessant, als sich beide dem Vernehmen nach kaum abgestimmt haben – eigentlich unvorstellbar für ein derart ambitioniertes 3-Millionen-Euro-Projekt. Aber ebenso wie Hadid ist Messner ein Sturkopf: Wo die Vitrinen nicht für die Exponate aus 250 Jahren Bergsteigergeschichte ausreichen, hängt er Bilder einfach auf die gebogenen Wände. Für den Architekturpuristen ist das befremdlich. Gleichzeitig zeugt dieser Pragmatismus von erfrischender Unbefangenheit. Architektur muss das aushalten und schließlich auch benutzt werden.
Es lässt sich darüber diskutieren, ob das Museum an diesem Ort Sinn ergibt. Zum einen feiert es die heile Bergwelt, zum anderen tragen immer größere Besuchermassen natürlich nicht zu deren Schutz bei, den Messner immerzu einfordert. Messner führt an, dass er hier auf eine vorhandene Infrastruktur zurückgreift und damit andere Berge bewahrt; Hadid schwebt über den Dingen und erschien nicht einmal zur Eröffnung. Allen berechtigten Einwänden zum Trotz ist mit dem MMM Corones ein Haus entstanden, das auf seltene Weise Architektur, inhaltliche Botschaft und Ausblick zusammen klingen lässt. Tatsächlich: Nach Verlassen des Museums fühlt man sich den Bergen näher – und trägt so etwas wie ein erneuertes Empfinden von Ehrfurcht in sich.