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[en] Architektur Galerie Berlin

Bauwelt online, 21.8.2018 Die digital-analoge Sollbruchstelle verschieben

Jan Friedrich

Der chinesische Architekt Philip F. Yuan beschäftigt sich in seinen Bauten mit digitaler Fertigung und Robotik. Am kommenden Donnerstag, dem 23. August, ist er beim Galeriegespräch in der Architektur Galerie Berlin zu Gast.

Entwerfen mit den ausgefeiltesten Parametern und Algorithmen; Kommunikation aller Planungsbeteiligter über virtuelle 3D-Modelle; Gebäude, täuschend echt visualisiert, in denen man, eine 3D-Brille auf der Nase, herumgehen kann, ehe überhaupt eine Schaufel Sand auf dem Grundstück bewegt wurde – die Digitalisierung der Planung ist weit vorgeschritten, im einen Büro etwas mehr, im anderen etwas weniger. Doch egal, wie digital-affin Architekten auch sind: Unweigerlich gibt es die digital-analoge „Sollbruchstelle“, just in jenem Augenblick, in dem die Planung zur Ausführung kommen soll. Immer wieder stößt man an Grenzen, wenn man versucht, die Präzision, die sich auf dem Bildschirm erreichen ließ, tatsächlich zu Bauen. Auf der Baustelle herrscht eben, etwas vereinfacht gesagt, nach wie vor das Primat analoger Muskelkraft.

Seit vielen Jahren forschen Architekten, die von den Möglichkeiten der Digitalisierung begeistert sind, am Wesen dieser Sollbruchstelle. Ziel ist es, sie zu minimieren, vielleicht eines Tages sogar zu eliminieren. Bei dieser Forschung dreht es sich oftmals um digital gestützte Vorfertigung, mit der sich die Präzision der auf die Baustelle zu montierenden Teile verbessern lässt – doch in letzter Konsequenz geht es natürlich auch um den Einsatz von Robotern auf der Baustelle. Große Fragen stehen dabei zur Diskussion: Wie können Mensch und Maschine am Bau zusammenarbeiten? Und schließlich: Ersetzt die Maschine irgendwann auch auf der Baustelle die handwerkliche Arbeit?

Gramazio und Kohler aus der Schweiz etwa experimentieren lange schon mit Robotern, die Ziegelsteine in höchster Präzision vermauern, Achim Menges von der Uni Stuttgart ist u.a. bekannt geworden mit seinen Versuchen, wie man auf der Baustelle Tragstrukturen drucken kann. Dass der chinesische Architekt Philip F. Yuan (Jahrgang 1971), der seit 2003 das Büro Archi-Union in Shanghai führt und an der dortigen Tongji-Universität lehrt, ebenfalls lange schon zu diesen Themen forscht und in ziemlich großen Projekten damit experimentiert, ist in Europa bislang weniger bekannt gewesen. Geändert hat sich das mit Yuans Auftritt auf der diesjährigen Architekturbiennale in Venedig, wo er nicht nur Aussteller im Chinesischen Pavillon ist, sondern auf einer Wiese vor dem Pavillon auch noch eine von einem Roboter gedruckte kristalline Tragstruktur aus transparentem Kunststoff aufbauen ließ.

Wesentlich umfangreicher mit Arbeiten von Archi-Union und der 2015 gegründeten Forschungsabteilung des Büros, „Fab-Union“, kann man sich zurzeit in der Architektur Galerie Berlin beschäftigen, wo sich Philip F. Yuan noch bis 25. August in einer Einzelausstellung mit dem Titel „Collaborative Laboratory“ präsentiert. Bemerkenswert ist: Die Projekte, die er dort vorstellt – seien es die Ziegelfassaden des Songjiang Art Campus in Shanghai (2015), sei es das Community Center in Dao Ming in der Provinz Sichuan mit seinem ausladenden Bambusdach (2017), seien es die Räume des Architekturbüros auf einem alten Fabrikgelände selbst (2007–2018) – wurden zwar alle zumindest zum Teil mithilfe von digital gesteuerten Werkzeugen bis hin zu Robotern gefertigt, in keinem der Fälle aber prägt dieser Umstand vordergründig die Gestaltung der Bauten. Auch in der Ausstellung muss man schon ein bisschen nach Hinweisen auf ihre besondere Machart suchen.

Digitalisierung und Robotik – das wird nicht zuletzt im anlässlich der Ausstellung erschienenen gleichnamigen Buch deutlich, das sich dezidiert den Entwurfs- und Fertigungsprozessen widmet – beide scheinen für Philip F. Yuan nicht Selbstzweck zu sein, sondern Mittel auf der Suche nach Möglichkeiten, die Traditionen chinesischer Architektur in die Gegenwart und Zukunft zu überführen. Am kommenden Donnerstag, dem 23. August, um 19 Uhr, wird Philip F. Yuan beim hochkarätig besetzten Galeriegespräch in der Architektur Galerie Berlin Rede und Antwort zu seiner Arbeit stehen. Gesprächspartner sind Philippe Block, Professor für Architektur und Tragwerk an der ETH Zürich, Achim Menges, Professor für rechnergestütztes Entwerfen und Bauen an der Universität Stuttgart, und Philip Ursprung, Professor für Kunst- und Architekturgeschichte an der ETH Zürich.