Bauwelt 22-2021
Hereinspaziert! Die Kölner JSWD Architekten stiften Verwirrung.
By Jan Friedrich

Review

Immer wieder bemühen sich Ausstellungsmacher, durch einen „niedrigschwelligen Ansatz“ ihre Schau für ein anderes als das übliche, ohnehin interessierte Publikum zu öffnen. Das gelingt nicht oft. Und selten gelingt es derart gut wie in der Ausstellung „All Scales“ des Kölner Büros ­JSWD in der Architektur Galerie Berlin. Noch nie, erzählt Galerist Ulrich Müller, seien so viele Besucher gekommen, die nie zuvor eine Architekturgalerie betreten haben. Und es – das muss man ehrlicherweise sagen – auch in diesem Fall eigentlich gar nicht vorhatten. In gewisser Weise sind sie als Folge einer Vorspiegelung falscher Tatsachen – angelockt von einem roten Sonnenschirm, einem Stehtisch, einem Zeitungsaufsteller und dem Büdchen, das drinnen steht – von der Karl-Marx-Allee durch die bei gutem Wetter auch noch offen stehende Glastür hereingekommen. Sie wollen bei Ulrich Müller eine Cola, ein Bier oder ein Eis kaufen. Hhhm, geht leider nicht, muss der Mann hinter dem Tresen dann antworten, das hier sieht zwar aus wie ein Kiosk, ist aber eigentlich eine Architekturgalerie.
Nun sind die Leute schon einmal drin in ihrer ersten Architekturausstellung, und dann beginnen sie vielleicht, sich einmal genauer umzuschauen. Das Büdchen haben Filmkulissenbauer neu für die Ausstellung gebaut, es aber so perfekt auf gebraucht und schmuddelig gemacht, dass es eine Freude ist. Die Dinge, die hier vor allem „angeboten“ werden, unterscheiden sich auf den zweiten Blick dann doch deutlich von denen in einem echten Kiosk: Im Postkartenständer gibt es ausschließlich Karten mit Fotos von Gebäuden von JSWD, im Zeitungsständer stehen ausnahmslos Magazine, in denen JSWD veröffentlicht waren. In den Plexiglasschütten, in denen man bunte Süßigkeiten erwartet, finden sich ebenso bunte Modelle von JSWD-Projekten, alle gleich groß und deshalb in ganz unterschiedlichen Maßstäben („All Scales“). Die Rückwand des Büdchens bildet nicht das übliche Zigaretten- und Schnapsregal, sondern eine Fototapete des Materialprobenlagers der Architekten. Noch viel mehr ist zu entdecken in dem Kölner Büdchen – ein großes Vergnügen auch für all jene, die den Ort wissentlich aufsuchen.