Ulrich Müller ist ein eigenwilliger Kopf. Er betreibt die Architektur Galerie Berlin in der Karl-Marx-Allee – also im Baudenkmal „Stalinallee“ –, aber in seinen Ausstellungen wird nicht Architektur auf herkömmliche Weise gezeigt, mit Modellen, Plänen und Fotografien, sondern es wird mit Architektur umgegangen.
Sie wird „in konzeptionellen Ausstellungen gezeigt, bei denen atmosphärische Assoziationsräume im Vordergrund stehen“, wie Müller formuliert. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass Gebautes im Medium der Ausstellung notwendigerweise in eine andere Darstellungsform übersetzt werden müsse.
Auch diesmal hat Müller sich auf „ein außergewöhnliches Experiment“ eingelassen, wie er über die neue Ausstellung „Bilder aus Berlin“ mitteilt. Fürwahr, dass Architekturbüros Ansichten ihrer Bauten von Künstlern nach Herzenslaune bearbeiten, verfremden oder auch weiterdenken lassen, kommt in der heutigen Zeit makelloser Renderings für gewöhnlich nicht vor. Genau das hat das in Hamburg hauptansässige Büro Tchoban Voss zum 20-jährigen Jubiläum seiner Berliner Dependance getan. Zehn Künstler – die Mehrzahl russischer Herkunft – wurden eingeladen, zu einem frei gewählten Gebäude des Büros ihre künstlerische Sicht zu äußern.
Ein visuelles Vergnügen, das zum Jubiläum passt
Es geht nicht um eine realitätsnahe Darstellung von Bauwerken, sondern um den spielerischen Umgang mit ihnen. Gottfried Müller – nicht mit dem Galeristen verwandt –, akademisch ausgebildeter Grafiker und mittlerweile Professor für Architekturdarstellung in Dortmund, stellt sich das von Tchoban gegründete „Museum für Architekturzeichnung“ am Pfefferberg im Jahr 2117 vor, ein Jahrhundert voraus: Da ist das Gebäude um einige immer weiter auskragende Geschosse in die Höhe gewachsen. So kann man den Sammeltrieb, dem jedes Museum seiner Natur nach unterliegt, ironisieren. Valery Koshlyakov „zeichnet“ die Konturen des Museumsgebäudes mit farbigen Klebestreifen auf Plexiglas nach. Eindrucksvoll ist Nikolai Makarovs Acrylgemälde vom Innenraum der Synagoge in der Münsterschen Straße, das den Sepiaton alter Fotografien nachempfindet. Gleich mehrere Gebäude des Büros hat Vladimir Dubossarsky fröhlich auf einer Großleinwand collagiert.
Alexander Brodsky, dieser Poet des Bauens oder besser seiner Vergeblichkeit, hat einen fiktiven Schnitt durch ein Gebäude angelegt, das vage mit einem solchen des Büros zu tun hat. Mit zahllosen Treppen und Kammern ist es indessen mehr ein piranesischer Albtraum als ein benutzbares Bauwerk. Und vom größten der zehn gezeigten Werke grinsen zwei „Russen in Berlin (Tolstoewski Projekt)“ von der collagierten Papierarbeit, die das Duo Vrubel & Timofeeva nach Art der East-Side-Gallery gestaltet hat.
Der Ertrag? Er wolle „die Architekten anregen, tiefer über Architektur nachzudenken“, erklärte Ulrich Müller zur Eröffnung, die, wie meist in seiner Galerie, proppenvoll besucht war. Konventionell sind die Arbeiten gewiss nicht, die an den Wänden des langgestreckten Galerieraumes hängen. Zu viel Gedankentiefe darf man allerdings nicht in sie hineinlegen. Sie sind ein visuelles Vergnügen, wie es zu einem runden Jubiläum passt. Im Übrigen wünscht man einmal mehr, der großartige Sascha Brodsky – der bei der jüngsten Architekturbiennale Venedig mit einer windschiefen Hütte tiefer gedacht hat als Dutzende Büros mit opulenten Inszenierungen – würde erneut in Berlin ausstellen.