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[en] Architektur Galerie Berlin

Der Tagesspiegel Stein auf Stein – Zwei Architekturausstellungen in Berlin zeigen die Bauten von Caruso St John und Max Dudler

Bernhard Schulz

Wie man eine Stadt am Ende des Industriezeitalters umbaut, macht Zürich seit einigen Jahren vor. Sowohl Teile der Bahnbetriebsanlagen westlich des Hauptbahnhofs als vor allem auch die anschließenden Industrieareale werden neu bebaut. Gleich am Bahnhof, auf dessen Südseite, liegt die neue Europaallee als Schaumeile solcher Art Stadtumbau, gespickt mit hochpreisigen Gewerbeimmobilien und Wohnanlagen.
Zwei der Architekturbüros, die dort mit ihren Entwürfen zum Zuge kamen, geben jetzt in Berlin Einblicke in ihr Werk. In der Architektur Galerie Berlin an der Karl-Marx-Allee stellt das Londoner Büro Caruso St John aus, einen Tag darauf eröffnete in der Kehrer Galerie an der Potsdamer Straße eine Ausstellung zum Berlin-Züricher Büro Max Dudler. Angesichts der Tatsache, dass es in Berlin zwar nicht an Kunstmuseen, wohl aber schmerzlich an einer vergleichbaren Institution für Architektur mangelt, erfüllen solche Galerieausstellungen eine besondere Aufgabe.
Die Architekten Caruso St John sind hierzulande bislang nur Insidern bekannt. Das ändert sich gerade. Ihr Neubau für die Bremer Landesbank an historischem Ort nahe dem Marktplatz, im vergangenen Jahr eröffnet, hat enorm viel Publizität erfahren. Mit seinem halbrund gebogenen, trichterförmigen Haupteingang inmitten einer sorgfältig gestalteten Ziegelfassade, den halbrunden Mini-Balkonen und nicht zuletzt einer repräsentativen Schalterhalle widerspricht das rund 50 Millionen Euro teure Bauwerk allen Vorstellungen einer zeittypischen Moderne. Um derlei haben sich Adam Caruso und Peter St John, beide Anfang sechzig und seit 1990 in einer Bürogemeinschaft verbunden, allerdings noch nie groß gekümmert.
Ihr bisheriges OEuvre ist denkbar vielgestaltig. In den Fotografien von Hélène Binet, die Ulrich Müller in seiner Architektur Galerie zeigt, wird eine enorme Sensibilität für Material und Ausführung sichtbar, ob bei der Renovierung des Museums Tate Britain in London oder der Neugestaltung des Altarraums der Stiftskirche St. Gallen. In einem eher schäbigen Bezirk Londons, dem gerade ebenfalls in Aufwertung begriffenen Vauxhall, haben sie dem exzentrischen Star-Künstler Damien Hirst eine ganze Häuserzeile aus Alt und Neu für dessen Privatsammlung hingestellt, so elegant und zugleich funktional, dass die Goldmedaille des Britischen Architekturinstituts beinahe zwangsläufig fällig wurde.
In Zürich konnten Caruso St John ihre Materialsorgfalt auch in Beton und mit sparsamer Ornamentik geltend machen. Die Mixed-use-Bauten für Gewerbe und Wohnen unterliegen allerdings sichtbar den renditeorientierten Vorgaben der Bauherrn. Entlang der Europaallee lässt sich einmal mehr besichtigen, dass architektonischer Eigensinn bei Immobilieninvestoren nicht eben gefragt ist. Das gilt ebenso für Max Dudler, dessen Bauten in ihrer strengen, von Dudlers Lehrer Oswald Mathias Ungers herrührenden Rationalität leicht etwas Serielles bekommen. Die Pädagogische Hochschule, die immerhin ebenfalls an der Europaallee in Zürich angesiedelt wurde, könnte von außen betrachtet ebenso gut eine Konzernverwaltung beherbergen, besticht im Inneren aber durch die kluge Organisation der Seminarräume und Verkehrsflächen. Wie gut Dudler das Innere eines Bauwerks gestalten kann, muss man gerade in Berlin nicht betonen; dafür steht die wunderbare Bibliothek der Humboldt-Universität (die in den Keller verbannten Schließfächer übergehen wir allerdings).
Stefan Müller – wie Hélenè Binet einer der besten Architekturfotografen unserer Zeit – hat Dudlers Bauten so makellos abgelichtet, wie sie im Idealzustand sein sollen; etwa das Hambacher Schloss als lieu de mémoire der deutschen Demokratie, das der 1949 geborene Schweizer mit Feingefühl restauriert und um Funktionsgebäude ergänzt hat, die den wuchtigen Naturstein aufnehmen und schnörkellos vorführen. In monumentalem Format lehnen Müllers Fotografien an den Wänden des Galerieraumes – der Betrachter meint beinahe, den Stein zu berühren.
Übrigens, ein Entwurf von Dudler kommt in Berlin so allmählich zur Ausführung: der U-Bahnhof Museumsinsel, geplant seit 1998. Schneller ging es in Leipzig, wo er eine großzügige Station der unterirdischen S-Bahnstrecke gestaltet hat. Auf ein Bauwerk von Caruso St John muss Berlin freilich noch warten. Aber mit dem Bremer Paukenschlag sollte die Aufmerksamkeit für ihr Werk deutlich steigen – und damit auch die Chance eines Auftrages.