Architektur ist ein Produkt für die Allgemeinheit. Dieser sind die Architekturvokabeln jedoch größtenteils unverständlich. Deshalb muss der Architekt sie übersetzen. Oder die Allgemeinheit sucht sich etwas anderes.
Kommunizieren und studieren
Seit einiger Zeit gewinnt das Schlagwort „Architekturkommunikation“ massiv an Bedeutung. Damit ist jedoch nicht die Verständigung des Architekten mit Bauherrn und Behörden gemeint. Architekturkommunikation bedeutet vielmehr den eigenen Beitrag des Architekten zur öffentlichen Meinungsbildung über seine Arbeit. Die Notwendigkeit dafür steigt rasant. Denn wie jeder andere werden auch potentielle Bauherrn täglich mit zahllosen Informationen überschüttet, deren Fülle eher Verwirrung stiftet. Die Außendarstellung des Berufstandes kann also nicht mehr dem Zufall oder der Muse überlassen werden, sondern bedarf einer aktiven und zielgerichteten Handlung. Während vor ca. zehn Jahren lediglich große Architekturbüros eigens für Öffentlichkeitsarbeit abgestellte Mitarbeiter beschäftigten, ist das heute beinahe der Normalfall. Deren Aufgabe ist es, Unterlagen über Bauten und Projekte zu erstellen und an Fachzeitschriften zu versenden, Kontakte zu Journalisten herzustellen, die Internetpräsenz permanent zu aktualisieren und Konzepte für Publikationen und Ausstellen zu erarbeiten. Die Vorbereitung von Texten und Vorträgen sowie die Teilnahme an Veranstaltungen und Ausstellungseröffnungen zum netzwerken ergänzen das Arbeitsfeld.
Der Bedarf an für diese Aufgaben geschulten Mitarbeitern wurde inzwischen auch von Hochschulen erkannt. In Bochum, Cottbus und Weimar gibt es deshalb Masterstudiengänge, die Spezialisten für Architekturkommunikation ausbilden. Das Bewusstsein, dass der künstlerische Impetus alleine nicht für eine erfolgreiche Arbeit als Architekt ausreicht, sollte jedoch nicht nur in spärlich gesäten Masterstudiengängen vermittelt werden. Die Sensibilisierung und Schulung dafür müsste vielmehr zum festen Bestandteil der Ausbildung eines jeden Architekturstudenten gehören. Hier könnte er nicht nur lernen, welche Mittel und Strategien es gibt und wie sie ihm im späteren Berufsleben zum Erfolg verhelfen. Die Studenten könnten dieses Wissen sogleich bei ihren eigenen Präsentationen, im kleinen Kreis sozusagen, überprüfen und anwenden. Denn was man an den Hochschulen leider nicht selten erlebt, gleicht einem Jammertal: Da werden missmutig oder verunsichert unfertige Arbeiten präsentiert. Oftmals ist es nur der Erfahrung und der Einfühlsamkeit der Professoren zu verdanken, dass ein radebrechend erläutertes Konzept überhaupt deutlich wird. Pläne mit dürren oder unreflektierten Bildern sind darüber hinaus kein geeignetes Hilfsmittel für eine gelungene Überzeugungsarbeit. Einer anschließenden Diskussion sind die meisten Studenten ebenso wenig gewachsen.
Das mag innerhalb des Lehrbetriebs nicht weiter auffallen. Und sicherlich wird nicht jeder der Absolventen später in einer Position arbeiten, die ihm maximale Präsentation und Präsenz abverlangen. In jedem Beruf ist es aber eine unabdingbare Voraussetzung, dass Arbeitsergebnisse und Lösungsvorschläge überzeugend dargelegt und in die Sprache des Kunden übersetzt werden. Der Bauherr, Politiker oder Nutzer soll schließlich verstehen, warum er sich für eine bestimmte Lösung entscheiden soll. Deshalb ist es überfällig, dass alle Studenten auch auf diesen wichtigen Bestandteil ihrer zukünftigen Arbeit vorbereitet werden.
Kommunizieren und ausstellen
Die Werkzeuge für Öffentlichkeitsarbeit umfassen ein breites Spektrum. Während Fachzeitschriften, Bücher, Flyer, websites etc. jedoch beliebig reproduzierbar sind, besitzt die Ausstellung einen besonderen Status. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zunächst einmal ist die Anzahl der Orte, an denen regelmäßig Architektur ausgestellt wird, sehr begrenzt. In Deutschland gibt es beispielsweise lediglich vier – von Vereinen bzw. privat betriebene – Architekturgalerien (Augsburg, Berlin, München und Stuttgart). Darüber hinaus zeigen einige BDA-Landesverbände oder Kammern vereinzelt Ausstellungen, die jedoch eher als Podium für den internen Erfahrungsaustausch dienen. Auf Ausstellungen in Museen oder kommunalen Einrichtungen soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, da sie als strategische, d. h. aktiv zu steuernde Mittel für Architekten zumeist nicht relevant sind. Deshalb ist eine Architekturausstellung immer etwas Exklusives und besitzt ein extrem hohes Alleinstellungsmerkmal: Jemand, der ausstellt, ist nicht mehr einer von vielen.
Zweitens erfordern Ausstellungen einen immensen Herstellungsaufwand. Deshalb überlegen sich Architekten sehr genau, ob sie solch ein Projekt angehen. Insbesondere für kleinere Büros stellen Konzeption und Umsetzung einer Ausstellung oft eine große wirtschaftliche Herausforderung dar. In diesem Zusammenhang muss man auch berücksichtigen, dass eine Ausstellung nicht ohne Öffentlichkeitsarbeit funktioniert. Diese erfordert noch einmal mindestens genauso viel Aufwand wie die Produktion. Jemand, der ausstellt, ist also auch jemand, der es sich leisten kann. Drittens besitzt eine Ausstellung die Besonderheit, dass man räumlich arbeiten und originale Materialien zeigen kann. Dadurch werden sehr wichtige Eigenschaften des Originals vermittelt. Dieses Potential wird sich durch den Umgang mit Computern und die daraus resultierenden Wahrnehmungsgewohnheiten in Zukunft stark verändern. So ist es sicherlich nur noch eine Frage der Zeit, bis man Ausstellungen mittels 3D-Brille räumlich erweitern kann. Viertens ist eine Ausstellung ein wichtiges Sprungbrett in die Öffentlichkeit. Denn durch ihre physische Präsenz im öffentlichen Raum wird sie gleichsam Bestandteil desselben. Die eingangs erwähnten Medien wie Zeitschriften, Bücher etc. bleiben dagegen vorwiegend Fachleuten vorbehalten.
Last but not least stellt eine Ausstellungseröffnung immer ein besonderes gesellschaftliches Ereignis dar. Man geht dort nicht nur hin, um sich die Exponate anzusehen, sondern vor allem um Leute zu treffen. In entspannter Atmosphäre tauscht man sich aus und lernt neue Leute kennen. Während ein reproduzierbares Medium häufig nur kurz überflogen wird, setzt ein Ausstellungsbesuch ein gewisses Maß an Planung voraus. Die Verweildauer der Besucher ist dementsprechend höher, die Aufnahmefähigkeit größer.
Die Summe dieser einzigartigen Potentiale muss man gezielt berücksichtigen und ausschöpfen. Viele Architekten unterschätzen den Aufwand dafür. Eine Ausstellung muss jedoch ebenso wie ein architektonisches Projekt mit Leben erfüllt werden, um erfolgreich und nachhaltig zu sein. Denn die Besucher sind in der Regel sehr seherfahren und haben dementsprechend hohe Erwartungen. Es nützt zum Beispiel wenig, wenn die Arbeiten eines Büros weithin bekannt sind. Entscheidend ist, wie es gelingt, die Darstellung der Bauten und Projekte so aufzubereiten, dass der Ausstellungsbetrachter Zugang zu der für ihn unbekannten Ideenwelt findet. Die komplexen Ideen des Architekten und die Erfahrungsebenen der Besucher müssen dabei in Einklang gebracht werden.
Kommunizieren und übersetzen
Am Anfang jeder Ausstellungsvorbereitung stehen folgende grundsätzliche Fragen, bei denen das Pragmatische nicht vom Inhaltlichen zu trennen ist: Wer soll angesprochen werden (Kollegen, Bauherrn, Studenten, Kinder, Politiker, zukünftige Nutzer)? Was soll vermittelt werden (konkretes Projekt, Werkschau, bestimmte Entwurfskonzeption)? Welche Mittel stehen zur Verfügung (Budget, Räumlichkeit, Sponsoren, Exponate, Termine, Medien)? Die Klärung dieser Fragen erfolgt parallel mit dem Entwurf des Ausstellungsdesigns und der Entscheidung für die Ausstellungsexponate (Zeichnungen, Skizzen, Modelle, Fotografien, Materialcollage, Texte, Filme etc.). Bemerkenswert und sicherlich berufsspezifisch ist dabei folgender Aspekt: Obwohl es sich bei einer Ausstellung zuerst um eine Offerte an die Öffentlichkeit handelt, dient sie immer auch der Selbstvergewisserung. Dabei überprüfen die Architekten ihre eigene Arbeit unabhängig vom Spannungsfeld Büro/ Bausstelle auf einem auch für sie neuen Terrain. Dieser Aspekt gewinnt oftmals eine eigene Dynamik.
Entsprechend den Intentionen der Ausstellungsautoren sowie der inhaltlichen Ausrichtung der Ausstellungsorte sehen Ausstellungen schließlich sehr unterschiedlich aus. Das Spektrum reicht von der klassischen Dokumentation anhand von Plänen und Modellen bis hin zur künstlerischen Installation, die ein bestimmtes Thema eher assoziativ umkreist. Eine lokale Veranstaltung für Nutzer oder Politiker bedient sich selbstverständlich anderer Gestaltungsmittel als eine internationale Großveranstaltung wie zum Beispiel die Architekturbiennale in Venedig. Interessant ist in diesem Zusammenhang das Konzept, dass jeden Sommer im Londoner Kensington Garden realisiert wird. Dort darf ein international renommierter Architekt, der bis dato noch nicht in Großbritannien gebaut hat, den so genannten Serpentine Pavillon errichten. Dieser ist neben seiner Bestimmung als Veranstaltungsort vor allem eine mit einem Kunstobjekt vergleichbare Architekturplastik. Diese Ambivalenz sichert dem Pavillon größtes Interesse: Einerseits ist er Pilgerort für Kollegen, andererseits schlägt er auf nahezu spielerische Art und Weise die Brücke zur interessierten Öffentlichkeit. Von einem ähnlichen Projekt kann man in Deutschland leider nur träumen.
In diesem Zusammenhang lohnt sich abschließend ein Blick auf die Berliner Ausstellungsorte, die in einem äußerst vitalen Kontext ganz unterschiedliche Akzente setzen: Die Akademie der Künste stellt überwiegend Arbeiten der Mitglieder ihrer Sektion Baukunst aus. Damit bildet sie ebenso wie die BDA-Galerie und die Werkbund-Galerie eine Plattform für die eigenen Mitglieder. Seit inzwischen mehr als 25Jahren zeigt das Architekturforum Aedes sehr erfolgreich Ausstellungen deutscher und international renommierter Architekten. Die Architektur Galerie Berlin wiederum ist auf konzeptionelle Ausstellungen spezialisiert, bei denen die Zusammenarbeit von Architekten mit Künstlern eine große Rolle spielt. Im Architekturmuseum der TU Berlin sind überwiegend Ausstellungen zu historischen Themen mit Material aus den eigenen Beständen zu sehen. In der Berlinischen Galerie werden Sammlungsbestände oder Arbeiten zeitgenössischer Architekten gezeigt, die einen Berlinbezug haben. Das Deutsche Architekturzentrum schließlich, eine Institution des Bundesverbandes des BDA, greift sehr verschiedene Themen zeitgenössischer Architektur auf.
Dieses Spektrum ist jedoch nicht nur für den Besucher interessant. Es trägt auch dazu bei, dass der Ausstellungsmacher seine Arbeit permanent justiert. Denn nicht nur ein Architekt entwickelt in seiner Arbeit einen unverkennbaren Stil. Auch für den Ausstellungsmacher bzw. Ausstellungsort ist es wichtig, eine bestimmtes Image zu etablieren. Dessen erfolgreiche Übersetzung in die Sprache der Besucher findet ihren Niederschlag nicht zuletzt in der öffentlichen Meinung über den Berufstand. Neben vielen anderen Faktoren trägt sie mit dazu bei, ob unsere Zukunft nur noch aus Fertighäusern besteht oder der Beruf des Architekten wieder eine breite gesellschaftliche Anerkennung erfährt.
Ulrich Müller