Architektur Galerie Berlin

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21.9.2016
Der Architekturkatalysator – Interview mit Ulrich Müller

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Mit der Architektur Galerie Berlin zeigt der Galerist Ulrich Müller seit nun mehr zehn Jahren eigens für seine Räume entworfene Ausstellungen zeitgenössischer Architekturbüros. Mit dem SATELLIT betreibt er seit Anfang des Jahres zusätzlich einen Projektraum für neue Formate. Ein Gespräch über seine Rolle als Katalysator, die Welthauptstadt der Architekturdebatten und warum eine Ausstellung im Netz nicht reproduzierbar sein sollte.
Andreas Ruby, der neue Direktor des Schweizer Architekturmuseums, ist mit dem Statement angetreten „Architektur kann man nicht ausstellen“. Wie machst du Architektur ausstellbar?

Die These ist nicht neu – natürlich kann man Architektur nicht ausstellen, aber darauf kommt es auch nicht an. Der Ausspruch klingt ein wenig wie eine Wehklage, dabei ist es eine riesige Chance, eigene Formate zu entwickeln! Gebäude lassen sich zwar nicht übersetzten, aber dafür ist Architektur so breit gefächert, dass Ausstellungen bestimmte Aspekte wie Proportion, Material, Konstruktion oder den Entstehungsprozess von Architektur thematisieren können. Eine historische Ausstellung mit Zeichnungen von Schinkel ist natürlich anders als eine Ausstellung über Jürgen Mayer H.
Gibt es bestimmte Eigenschaften, die eine Architekturausstellung zum Erfolg machen?

Ausstellungen sollen Artefakte bieten, die Erkenntnisse und Erlebnisse mit sich bringen. Heute werden in Ausstellungen über zeitgenössische Architektur ganz andere Inhalte transportiert als noch vor zehn oder 20 Jahren; damals ging es im Wesentlichen um Informationen, die man vor dem Hintergrund der Neuen Medien heute nicht mehr braucht. Eine Ausstellung darf keine Wiederholung dessen sein, was sich im Internet findet. Es geht vielmehr um die Findung einer Form, die im Netz nicht reproduzierbar ist. Jede Ausstellung ist deshalb ein ganz neues Projekt, eine neue Herausforderung. In der Galerie geht es um die atmosphärische Transformation eines Raumes und darum, ein Thema auf neue, unverwechselbare Art und Weise darzustellen.
Wie bringst du dich selbst in den Entstehungsprozess ein?

Meine Rolle ist die des Katalysators. Architekten, die hier ausstellen, machen meist zwei bis drei Vorschläge, deren Umsetzung wir dann gemeinsam diskutieren. Jedes Büro hat Themen oder Forschungsschwerpunkte, die präsentieren möchte, die jedoch aus der Alltagsroutine der Praxis herausfallen. Ich bin selbst Architekt, anders als es zum Beispiel Kunstwissenschaftler könnte bringe ich diese Erfahrung in die Diskussion ein. Viele Architekten würden in der Abstraktion und Zuspitzung ihrer Ausstellungen nicht so weit gehen, wenn es diesen Dialog nicht gäbe.
Kannst du das an einem Beispiel konkretisieren?

Gerade stellt das New Yorker Büro OBRA bei mir aus. Grundlage für die Ausstellung waren über die Jahre entstandene Skizzenbücher der Architekten. Gezeigt werden jedoch  keine einzeln gerahmten Skizzen oder Bücher, sondern auf große Plexiglasplatten montierte Collagen aus zahllosen Blättern, so dass man auch die Rückseiten studieren kann. Die drei als „Staffeleien“ von der Decke hängenden Holzrahmen sind darüber hinaus das Ergebnis der Auseinandersetzung mit dem Galerieraum. Es riecht nach Leinöl, wenn man den Galerieraum betritt, die Ausstellung nutzt das Potenzial der Schaufenster und ist sehr atmosphärisch. Es ist ein Stück Architektur entstanden, von dem ich sagen würde „genau das ist OBRA“. Die monografische Ausstellung wird so zur eigenständigen Reflexion des Bauens und ist gleichzeitig die Fortsetzung der Architektur mit anderen Mitteln.
Du hast Architektur studiert und auch als Architekt gearbeitet. Was hat dich dazu bewogen, Architektur auszustellen, statt sie selbst zu entwerfen?

Ich wollte einfach mehr über Architektur wissen. Anfangs ging es mir um einen Austausch mit den Kollegen, die für meine architektonische Sozialisation wichtig waren. Die Galerie habe ich benutzt, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Den Architektenberuf halte ich nach wie vor für den spannendsten Beruf, den es gibt. Es ist ein Privileg, Gebäude mit einer Beständigkeit von 50, 80 oder 100 Jahren zu schaffen. Ausstellungen sind da vergleichsweise leider kurzlebig.
Was ist dein Antrieb?

Architektur muss stärker werden. Ich sehe die Galerie als eine Möglichkeit, Architekturqualität in die Öffentlichkeit zu bringen. Ich lade Architekten nach Berlin ein, von denen ich denke, dass sie wichtig für die Stadt sind und die Ausstellung eine Diskussion und einen Erkenntnisgewinn erzeugt. Es gibt so viel schlechte Architekten. Diejenigen, die  ich hier ausstelle, sind die Besten. Neben meiner persönlichen intellektuellen Bereicherung kann ich mit meiner Arbeit die Welt ein Stück weit zu einem besseren Ort machen. Auch wenn Nichtarchitekten an den Schaufenstern vorbeilaufen und die Ausstellungen nicht in den letzten Tiefen verstehen, so erfahren sie zumindest, dass Architektur ein Thema ist, über das man mehr nachdenken muss.
Im vergangenen Jahr warst du in Harvard und an der Columbia University zu Vorträgen über deine Arbeit eingeladen. Wie siehst du die Entwicklung der Architektur Galerie Berlin im internationalen Kontext?

Die Galerie ist zu einer Plattform mit internationaler Ausstrahlung geworden, ich bekomme weltweite Anfragen, was sicherlich auch mit dem Standort Berlin zusammenhängt: Die Stadt ist ein hotspot für die Architekturszene. Wir haben das Glück, hier über ein breites Spektrum an Orten zu verfügen, an denen über Architektur auf eine Art und Weise diskutiert wird, wie das anderswo nicht möglich ist. Meine Website „AEX – Architecture Exhibitions International“ macht das sichtbar: Während es in New York maximal fünf oder zehn Orte für Architekturdebatten gibt, hat Berlin davon mindestens 20. Berlin ist sozusagen die „Welthauptstadt“ der Architekturdebatte.
Seit Januar 2016 hast du einen neuen Projektraum. Was ist die Idee dahinter?

Mit dem SATELLIT will ich den Dingen eine Plattform geben, die in der Galerie inhaltlich und räumlich keinen Platz fanden. Der Projektraum ergänzt die Galerie mit ihrem relativ  statischen Format der monographischen Ausstellung um eine offene Plattform, die ein Ort für Debatten sein soll. In diesem Jahr finden vier Ausstellungen in Kooperation mit Studierenden und Hochschulen – darunter GSD Harvard – statt, aber auch Buchvorstellungen und Vortragsreihen wie die FSB-Reihe „Deutschlandreise“, die junge Architekten vorstellt, die es wert sind entdeckt zu werden.
Wie wichtig ist es Unterstützer und Förderer wie FSB zu haben?

Ohne ausgesuchte Firmen, bei denen es zur Unternehmenskultur gehört Architektur auf hohem Niveau zu fördern, ginge es nicht. Wichtig ist, dass es bei der Zusammenarbeit inhaltliche und persönliche Schnittmengen gibt, um die eigenen Vorstellungen von Architekturqualität an die Leute zu bringen. Dann gibt es eine wunderbare Allianz.
Du wärst auch gerne Musiker geworden und machst noch heute Musik in deiner Freizeit. Hast du schon mal über ein Rockkonzert im Projektraum nachgedacht?

Aber natürlich! Es gab ganz am Anfang auch schon einmal ein Konzert in der Galerie, allerdings keine Rockmusik, sondern experimentelle elektronische Musik. Leider kamen damals nur drei oder vier Zuhörer. Das heißt nicht, dass es in Zukunft wieder ein solches Format geben kann: Die Ideen für ein Programm namens „Klangreflektor“ liegen bereits in der Schublade.

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