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[en] Architektur Galerie Berlin

Von der Kunst, Architektur auszustellen

Ulrich Müller im Interview mit Verena Arnold, 22.5.2020

Architektonische Meisterwerke faszinieren die Menschen seit jeher. Schon die alten Ägypter bauten ihre spektakulären Pyramiden, um die Betrachter zu beeindrucken. Bis heute blieb diese Begeisterung für die Architektur erhalten, auch wenn sie sich in einem ständigen Wandel befindet. Die zeitgenössische Architektur ist sehr komplex und bezieht verschiedene Konzepte mit ein. Umweltthemen und der Geist der heutigen Gesellschaft spielen bei den Konzeptionen eine große Rolle. Wer sich für dieses Thema interessiert, wird in einer Architekturausstellung garantiert auf seine Kosten kommen, wo beeindruckende Entwürfe und Ideen warten.

Ulrich Müller wurde 1965 in der ehemaligen DDR geboren, wo er in Weimar auch sein Studium begann. Nach der Wende machte er 1993 das Architekturdiplom an der damaligen TH Darmstadt und ging gleich im Anschluss nach Berlin. Dort arbeitete er unter anderem bei Prof. O.M. Ungers als Architekt. Schnell wollte er jedoch mehr machen als ausschließlich in einem Büro zu arbeiten. Er wollte sich auch mit Kollegen austauschen und über den „Tellerrand“ schauen. Dabei hat ihn zunächst interessiert, wie von ihm geschätzte Kollegen Architektur machen und welchen Einfluss deren Arbeit auf die Gesellschaft hat. Der erste Schritt bestand erst einmal darin, mit seinen „Heroes“ überhaupt in Kontakt zu kommen. Vor 20 Jahren war das noch nicht so einfach wie heute, da es damals noch kein Internet gab und die Kommunikation ausschließlich über Briefe und gelegentliche Treffen erfolgte. Das Format einer Ausstellung erschien ihm deshalb als geeignetstes Tool und so gründete er Ende 1999 die Architektur Galerie Berlin. Nachdem die Galerie zu Beginn lediglich als Erweiterung seiner Architektentätigkeit konzipiert war, betreibt er sie seit 2002 professionell.

Die Architektur Galerie Berlin ist ein privater Space, der ausschließlich von Sponsoren und den ausstellenden Architekten finanziert wird. Neben dem Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm verantwortet Ulrich Müller auch die kaufmännischen Angelegenheiten der Galerie. Bei der Umsetzung der Ausstellungsarbeit wird er von einem Team aus studentischen Mitarbeitern unterstützt, ohne deren tolles Engagement die Galerie nicht erfolgreich sein könnte. Parallel zur Ausstellungsarbeit gibt die Galerie den alle zwei Monate erscheinenden Kalender „AAB – Architektur Ausstellungen Berlin“ heraus und betreibt die Website „AEX – Architecture Exhibitions International“. 2015 initiierte Ulrich Müller den Projektraum “Architektur Galerie Berlin SATELLIT” für crossover Projekte und emerging architects und seit 2018 organisiert er das “Architecture Exhibitions Weekend BERLIN”.

Ulrich, du hast Architektur studiert und auch als Architekt gearbeitet. Was hat dich dazu bewogen, eine Galerie in Berlin zu eröffnen? Warum hast du dich dazu entschieden, Architektur auszustellen, statt sie selbst zu entwerfen? Was ist dein Antrieb?

Ich wollte mich als junger Architekt mit anderen KollegInnen austauschen und aus diesem Austausch etwas Handfestes für die Öffentlichkeit generieren. Da es zu dieser Zeit weder Internet oder E-Mail gab und an soziale Medien noch nicht zu denken war, kam ich zu dem Schluss, dass ich die Kollegen am besten zu einer Ausstellung einlade. Wie viele auch heute noch denken, meinte ich, dass Ausstellungen eine Art Nebentätigkeit seien, die man nach Feierabend erledigen könne. Es hat sich jedoch schnell herausgestellt, dass das nicht der Fall ist. Wenn man etwas wirklich Dauerhaftes und Erfolgreiches auf die Beine stellen möchte, muss man sämtliche Energien darauf richten und darf keine Kompromisse machen. Obwohl ich die Arbeit als Architekt liebte – es ist für mich immer noch der schönste Beruf der Welt – habe ich 2002 entschieden, mich ausschließlich auf die Galerie zu konzentrieren.

Der Markt der Architekturdarsteller und Architekturvermittler wird immer dichter. In Berlin bist du nicht der Einzige – was macht dich einzigartig? Was zeichnet die Architektur Galerie Berlin aus, was unterscheidet sie von der übrigen Berliner Architektur-Ausstellungsszene?

Diese Frage habe ich mir zu Beginn meiner Arbeit als Galerist ebenfalls gestellt und sie begleitet mich auch nach inzwischen 20 Jahren bis heute täglich. Dazu muss man wissen, dass es in Berlin mit dem bereits vor 40 Jahren gegründeten Architekturforum Aedes eine zentrale Referenz in Sachen Architekturausstellungen gibt. Dazu kommt eine Vielzahl von weiteren Ausstellungsorten mit jeweils eigenen Konzepten: Das Architekturmuseum der TU Berlin zum Beispiel fokussiert sich auf historische Themen aus dem Bestand seiner Plansammlung, die Berlinische Galerie (Landesmuseum für Architektur, Fotografie und Kunst) thematisiert die Arbeit Berliner Architekten und seit 2013 präsentiert die Tchoban Foundation (Museum für Architekturzeichnung) wunderbare Architekturzeichnungen aus aller Welt. Das DAZ (Deutsches Architekturzentrum), die BDA-Galerie (Bund Deutscher Architekten) und die Architektenkammer wiederum präsentieren im Wesentlichen die Arbeit und Fragestellungen ihrer Mitglieder. Dieses Spektrum wird ergänzt durch Ausstellungen in den großen Museum und off-spaces. Die systematische Analyse der Berliner Ausstellungsorte führte schließlich – im Prinzip als „Nebenprodukt“ – zur Konzeption des Kalenders „AAB – Architektur Ausstellungen Berlin“, der seit 2010 alle zwei Monate erscheint.
Vor diesem Hintergrund erschien es mir von Anfang an enorm wichtig, dass die Galerie ein unverwechselbares Profil entwickelt. Deshalb stelle ich ausschließlich die Arbeit von zeitgenössischen Architekten vor, die ihre Ausstellungen exklusiv für die Galerie entwerfen. Dabei wird ein dem jeweils vorangestellten Motto adäquates Setting entwickelt, dessen Ausstellungsartefakte man nicht vervielfachen kann. Andernfalls könnte man ja sich ja eine Website oder ein Buch ansehen. Letztlich verwandeln die Architekten den Galerieraum in ein architektonisches Statement.

Worauf liegt der programmatische Fokus in deiner Galerie? Wie und nach welchen Kriterien wählst du Aussteller und Objekte aus – aus der Sicht des Architekten oder des Galeristen? Welches Publikum sprichst du mit deinen Ausstellungen an?

Die Fragen, mit denen sich zeitgenössische Architektur auseinandersetzt, sind sehr komplex. Demzufolge behandeln die Ausstellungen unterschiedliche Themen. Da in jüngster Zeit vor allem Wohnungs- und Schulbau sowie die Digitalisierung bei der Gestaltung unserer Umwelt eine große Priorität haben, zeigten wir entsprechend mehrere Ausstellungen dazu. Andere Ausstellungen haben sich dem öffentlichen Raum und dem Verhältnis zwischen Natur und Technologie gewidmet. Parallel dazu spielen jedoch auch grundsätzliche Fragestellungen zur Rolle von Architekten und Architektur in unserer Gesellschaft eine wichtige Bedeutung. Die Auswahl der Aussteller und Objekte erfolgt also nicht nach subjektiven Kriterien, sondern vielmehr nach gesellschaftlicher Relevanz. Allen Ausstellungen gemeinsam ist jedoch, dass die Architekten auf ihrem jeweiligen Gebiet den Diskurs entscheidend mitprägen. Insgesamt soll das Ausstellungsprogramm vielfältig sein und verschiedene Besuchergruppen erreichen. Obwohl sich die Ausstellungen primär an ein Fachpublikum richten, versuchen wir sie gleichzeitig so aufzubereiten, dass auch Nichtfachleute einen Zugang zu den Themen zeitgenössischer Architektur finden.

Wenn die Architekturbüros sich nach dem Vorgespräch auf das Konzept der Galerie eingelassen haben, wie geht es dann weiter? Welche Rolle und welche Aufgaben übernimmst du im Entstehungs- und Umsetzungsprozess der Ausstellungen?

Die meisten Architekten, mit denen ich über eine Ausstellung spreche, kennen das Konzept der Galerie sehr genau und kommen genau aus diesem Grund auf mich zu. Gemeinsam versuchen wir dann herauszufinden, wie wir das Galeriekonzept mit den Ideen und Zielen der Architekten verknüpfen und zu einer Einheit entwickeln können. Danach entwickeln die Architekten ein oder zwei, manchmal auch drei Vorentwürfe, die wir anschließend gemeinsam auf ihre Plausibilität hin prüfen. In diesem Prozess verstehe ich mich primär als Katalysator. Bei der detaillierten Durcharbeitung geht es schließlich nicht nur um den besten Weg der Umsetzung, sondern auch darum, wer die Eröffnungsrede halten und wer das Galeriegespräch moderieren kann oder mit welchen Bildern wir für die Ausstellung kommunizieren.

Ein architektonisches Statement

Ulrich Müller arbeitet in seiner Galerie mit Architekten zusammen, die ihre Kunstwerke exklusiv für die Ausstellung entwerfen. Dadurch hebt er sich von der starken Konkurrenz im Berliner Raum ab. Da die zeitgenössische Architektur sehr komplex ist, werden auch verschiedene Themen in den Ausstellungen behandelt. Die Auswahl erfolgt stets unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Relevanz. Das Programm ist sehr vielfältig und spricht nicht nur Fachleute und Kenner an. Die verschiedensten Besuchergruppen kommen in Ulrich Müllers Galerie auf ihre Kosten.

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