Ulrich Müller vermittelt seit zehn Jahren Kunst und Architektur. Er stellt aus, bringt zur Sprache und fordert Anspruch. Sein „Werkraum“ der Architektur Galerie Berlin befindet sich an geschichtsträchtigem Ort in der Karl-Marx-Allee. Wen der prominente Straßenname noch unberührt lässt, verlangsamt seine Schritte auf dem Weg zu den großen Schaufenstern dieser denkmalgeschützten Gebäude. Beim Betreten des hohen, lichtdurchfluteten Raumes erfährt man, was ein Raum sein kann und was wirklich minimalistisch ist. Ulrich Müller erscheint im schwarzen Anzug, seine zunächst kühle Höflichkeit passt zu seinen Räumen.
Der Markt der Architekturdarsteller und Architekturvermittler wird immer dichter. In Berlin sind Sie nicht der Einzige – was macht Sie einzigartig?
Die Größe meiner Galerie lässt es zu, dass ich für jedes Büro ein Gefühl entwickle. Wie eine Mini-Ehe auf Zeit lerne ich das Büro kennen und die Architekten mich. Einige beobachte ich über Jahre hinweg, entwickle eine Beziehung zu deren Architektur, verfolge ihre Entwicklung – bis eine konkrete Zusammenarbeit in meinen Räumlichkeiten geplant und häufig erst zwölf Monate später realisiert wird. Die Architekten realisieren eine Ausstellung, die ich für sie kommuniziere und hinter der ich persönlich voll stehe. Diese enge Zusammenarbeit und die Bereitschaft der Architekten, nicht irgendetwas zu machen, sondern etwas Spezielles – nur für diesen Raum – macht diese Art der Architekturausstellung sehr speziell und exklusiv. Auf diese Weise hebe ich mich ab von den anderen Galerien.
Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Wagen Sie mit mir einen Rückblick?
Vor zehn Jahren habe ich in Leipzig begonnen, Architektur auszustellen. Ich hatte damals schon neben meiner hauptberuflichen Tätigkeit als Architekt den Wunsch, Architektur auch auf anderer Ebene zu verhandeln. Mein damaliger Geschäftspartner und ich begannen mit einer Ausstellungsreihe von Studenten und merkten recht schnell, dass das keine Nebenbeschäftigung mehr sein kann, sondern unsere ganze Aufmerksamkeit erfordert. Schon hier lag unser Schwerpunkt nicht allein im Ausstellen von Architektur, das heißt von Plänen, Erläuterungstexten und Modellen, sondern wir stellten den Architekten Aufgaben. 2000 gründete ich die Architektur Galerie Berlin und verlagerte meinen Schwerpunkt auf architekturdarstellende Kunst. Nach der ersten Fotoausstellung ist mir bewusst geworden, dass Künstler vollkommen anders mit Raum, Perspektive und Wahrnehmung umgehen. Was mit Hans-Christian Schink begann, führten Fotografen wie Paul Ott und Heinrich Helfenstein, die üblicherweise die Architektenelite mit Hochglanzabzügen versorgen, weiter: sie zeigten, wie sie selbst sehen – Architektur sehen – jenseits der Aufträge. Dieser Ansatz war damals relativ neu, schaffte es dann aber tatsächlich zur Architekturbiennale Venedig im Jahre 2004. 2006 ergab sich die Möglichkeit, neben der architekturdarstellenden Kunst auch der Architektur selbst wieder einen Platz einzuräumen – die Geburtsstunde des Werkraumes in der Karl-Marx-Allee.
Ist denn die Galerie ohne die Kunst noch die alte?
Die Galerie und ich – wir sind natürlich die Alten bezüglich Schwerpunkt und Anspruch – jedoch immer in der Entwicklung und bemüht, uns zu verändern. Ich habe weiterhin großes Interesse an Kunst, verkaufe sie auch noch, jedoch ohne die Galerie als Mittler.
Die Ausstellbarkeit von Architektur wird vielerorts kontrovers diskutiert. Wo sehen Sie sich in dem Zusammenhang?
Architektur ist natürlich nicht 1:1 ausstellbar. Man kann gebaute Architektur nicht in eine Galerie stellen. Aber – nicht jeder Mensch kann sich die Architekturen der Welt ansehen. Auch deswegen gibt es das Bedürfnis, Architektur zu vermitteln. Wie dünn Architekturdarstellung in Magazinen sein kann, wird kaum diskutiert. In einem Raum, der der Architekturdarstellung dient, habe ich viel mehr Möglichkeiten – und zwar noch über das Berühren von Modellen hinaus. Eine Interpretationsebene wird geschaffen, ein Dialog zwischen Architekten, Bewohnern und allgemein Interessierten ermöglicht und die Kommunikation darüber gepflegt. Ich beschäftige mich schon seit geraumer Zeit mit Architekturausstellungen. Meine Vision ist, eine Arbeit über den Raum hinaus zu schaffen, über die Schwelle der Galerie-Räume hinweg. Was können, sollten Ausstellungen leisten? Welchen Stellenwert haben sie in unserer Gesellschaft, wie kann man die Effektivität erhöhen, wie positioniert man bestimmte Themen, und auch sich selbst als Architekt, in einer Welt mit zunehmender medialer Präsenz?
Nach welchen Kriterien wählen Sie Aussteller und Objekte aus – aus der Sicht des Architekten oder des Galeristen?
Auswahlkriterium ist sicher meine Subjektivität – die Subjektivität eines Architekten und Galeristen mit langjähriger Erfahrung. Geprägt wird die Auswahl natürlich auch durch intensive Zusammenarbeit mit den Architekten und Künstlern über Jahre hinweg. Durch meine Arbeit mit Künstlern habe ich ein anderes Sehen gelernt: Künstler hinterfragen ihre Umwelt kritischer. Architekten reflektieren ihre Umwelt häufig nur, soweit es ihrer Arbeit oder Darstellung nutzt. Ich nehme das den Architekten nicht übel, sie sind Architekten und keine Künstler oder Architekturkritiker. Die Architekten, die hier ausstellen, haben begriffen, dass Ausstellungen eine ganz andere Ebene sind. Die Architekten Modersohn und Freiesleben beispielsweise haben im April dieses Jahres ihre eigene Architektur vollständig hinter die Arbeiten der Künstlerin Katrin von Maltzahn gestellt. Ich befinde mich ständig in Beziehungen zu Architekten, ihren Werken, zu Fotografen, Künstlern und ihren Ideen. Ich bin nie nur Galerist oder ausschließlich Architekt. Eigentlich bin ich Pragmatiker, der die Architektur und ihre künstlerische Seite liebt.
Sie haben in den Neunzigern bei Oswald Mathias Ungers gearbeitet. Seit dem 20. November stellen Sie Werke aus dem Nachlass seines Sohnes Simon Ungers aus. Was veranlasst Sie dazu?
Seit meiner Tätigkeit bei O. M. Ungers kenne und bewundere ich die Arbeiten von Simon Ungers sehr. Er hat in seinen letzten Lebensjahren zahlreiche Entwürfe angefertigt, für die es keine konkreten Auftraggeber gab. Im Vordergrund standen dabei architektonische Visionen für zeitlose Funktionen wie Museum, Theater oder Bibliothek. Für die Galerie schließt sich mit dieser Ausstellung thematisch ein Kreis: Nachdem wir Anfang des Jahres den – inzwischen realisierten – Entwurf von Adolf Krischanitz für die Temporäre Kunsthalle Berlin gezeigt haben, verhandeln die Arbeiten von Simon Ungers die Thematik eines Ausstellungsgebäudes für Kunst auf einer abstrakten Ebene. Diese Ausstellung ist ein Geschenk von mir für die Stadt Berlin – und für mich zur zehnjährigen Arbeit als Galerist.