„Ab der Eröffnung wird das Gebäude eine Legende sein“, ist sich Constanze Kleiner gewiss. Wenn es nur bald so weit wäre, mag sich da mancher Zuhörer gedacht haben. Tatsachen müssen schnellstmöglich her, damit das über Berlin hinaus Aufmerksamkeit erregende Kunsthallen-Projekt am prominentesten Ort der Stadt, dem Schlossplatz, nicht zur lokalen Angelegenheit degeneriert. Denn statt im April, wie ursprünglich geplant, wird durch die längerfristige Baueingabephase nun erst ab September das temporäre Kunsthaus seiner Bestimmung übergeben. Da ist es schon ein großer Fortschritt, dass die Initiatorin Constanze Kleiner gemeinsam mit ihrer „White Cube“–Kombattantin Coco Kühn in der Architektur-Galerie die Baupläne zeigen kann – Weiß auf Schwarz, und nicht nur im Netz.
Mit von der Partie an der Karl-Marx-Allee waren der Architekt Adolf Krischanitz, der Wiener Kunsthallen-Chef Gerald Matt, der am Karlsplatz ein ähnliches Modell bespielt und davon im schönsten Schmäh schwärmen kann, Beiratsmitglied Katja Blomberg, zugleich Leiterin vom Haus am Waldsee, das mit der Präsentation vornehmlich Berliner Künstler eine ähnliche Ausstellungspolitik wie die künftige Kunsthalle verfolgt, und Volker Hassemer von der Stiftung Zukunft Berlin, die mit Sponsor Dieter Rosenkranz für die Finanzierung des Unternehmens sorgt. Den wichtigsten Teil dieses Vor-Vorab-Termins, bei dem sich alle ihrer Vorfreude hingaben, stellten jedoch die acht Künstlerentwürfe für die 56 mal 20 mal 11 Meter umspannende Fassadenfläche dar. Wie beim Stadtschloss gilt auch hier die größte Aufmerksamkeit der Hülle. Anselm Reyle fängt mit Plexiglas vor geknautschtem Aluminium die Reflektionen des Himmels ein, Olav Christopher Jenssen überzieht den Kubus mit einem kristallinen Farbkleid, Olaf Nicolai überhäuft das Ganze mit einem Murmelberg, in dessen Inneren LED-Leuchten blinken sollen. Der Künstler TAL R bedeckt die Kiste mit roten und schwarzen Streifen, als wäre sie ein riesiger Bremsklotz für den Stadtraum. Wenn schon vorerst nicht gebaut werden kann, dann darf man sich wenigstens etwas wünschen, lautet offenbar die Devise. Denn von den acht Entwürfen können während der zweijährigen Laufzeit der Kunsthalle wahrscheinlich nur zwei realisiert werden, falls sich nicht weitere Geldgeber erwärmen.
Diese Formel gilt für das gesamte Projekt: Mit den Sponsoren steht und fällt die Qualität. Architekt Krischanitz erklärte das am Beispiel der Türklinken. Geplant sind zunächst Griffe aus Aluminium; findet sich ein spendabler Hersteller, könnten sie auch aus Messing, am Ende sogar aus Edelstahl sein. Die Visionen der Gesamterscheinung spannen sich deshalb von „Kronjuwel“ (Kleiner) bis „Kleinod“ (Kühn).
So viel ist allerdings klar: Der Bau wird in seinem Grundgerüst aus einer Holzkonstruktion bestehen. Das dient der Sparsamkeit und sichert maximale Flexibilität. Der Pragmatiker Krischanitz nutzte die Gelegenheit zu einer Watschen für architektonische „Gewitter“. Sein Haus sei eher der Produktion als der Repräsentation verpflichtet. Gerald Matt stimmte in dieses Loblied ein und nannte den „White Cube“ ein Zeichen für eine architektonische Wende, bei der nicht länger der Bau, sondern die Kunst im Vordergrund steht. Ihr ist neben der Fassadenfläche im Inneren der Kunsthalle ein 600 Quadratmeter großer Ausstellungsraum reserviert, der an der einen Seite von einem Café, an der anderen von einer Buchhandlung flankiert wird. Einen „Apparat des Lustgewinns auf verschiedenen Ebenen“ nannte Krischanitz dieses Konzept, denn neben den ökonomischen Vorteilen durch Gastronomie und Museumsshop wisse er aus Wien, dass phasenweise mal die Kunst, mal das Kaffeehaus wichtiger sei. Dem Restaurant ist vor allem im Sommer der Erfolg sicher, denn bei der jetzigen Lage des „White Cube“ zwischen Schlossplatz und Spreekanal nahe dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal wird man dort perfekt am Wasser sitzen.
Welche Kunst nun im „White Cube“ selbst zu sehen sein wird, wollten die Organisatoren immer noch nicht verraten. Nur so viel: dass Initiatorin Coco Kühn gemeinsam mit Geldgeber Dieter Rosenkranz die künstlerische Leitung übernimmt und dass das „Beste“ aus Berliner Produktion gezeigt wird. Die acht Fassadenentwürfe aus prominenter Hand sind eine erste Anzahlung darauf, dass die Berliner Künstlerschaft hinter dem Projekt „White Cube“ steht. Innerhalb von vier Wochen hatten die Teilnehmer ihre Modelle einzureichen. Zwar überraschen bis auf den Nicolai-Entwurf, der sich vermutlich ebenso wenig wie Valérie Favres Parkplatzhöhlen auf dem Dach umsetzen lässt, die Vorschläge kaum. So oder ähnlich arbeiten die Künstler auch zweidimensional, als Maler. Nur würde man das gerne einmal gigantisch groß mitten auf dem Schlossplatz sehen.