Bauwelt 4.2020
Massivholzhäuser ­mitten in Friedrichshain
By Jan Friedrich

Review

Das Züricher Architektenduo Nathalie Rossetti und Mark Aurel Wyss präsentiert ­fünf beispielhafte Bauten in der Architektur Galerie Berlin

Wird hier gerade um- oder immer noch aufgebaut? Ob jemand beabsichtigt, die Fotos, die aneinandergelehnt in der Galerie herumstehen, an die geweißten, makellosen Wände zu hängen? Die Irritation währt nur kurz. Natürlich ist die Ausstellung von Rossetti+Wyss in der Architektur Galerie Berlin fertig aufgebaut. Fünf Projek­te präsentiert das 2000 gegründete Züricher Büro in einem räumlichen Arrangement von jeweils einem großen Holzmodell und einigen wenigen in Poster-Größe auf hochwertigem Barytpapier abgezogenen Schwarz-Weiß-Fotografien.
Die zweite Irritation folgt bald auf die erste, nämlich dann, wenn man sich die Projekte nä­her anschaut: eine Hütte für Veranstaltungen mit­ten im Wald, zwei Wohnhäuser außerhalb von Zürich, ein restauriertes und erweitertes altes Bauernhaus in Gstaad, eine Werkhalle auf einem Bauhof des Kantons Zürichs in Andelfingen; all diese Bauten eint, dass sie auf die eine oder andere Weise aus massivem Holz konstruiert sind. Der Kontrast von Bauaufgaben, Standorten und Material der Häuser zum Ausstellungsort in der Karl-Marx-Allee könnte kaum größer sein, hat der Besucher die Galerie doch von einem der monumentalsten Straßenzüge des steinernen Berlins aus betreten. Vor diesem Hintergrund wirken die Exponate aus der Schweiz auf verwirrende Weise deplatziert. Doch vielleicht macht gerade das den Reiz der Ausstellung aus: Massivholzbauten mitten in Friedrichshain.
Ohnehin finden sich, studiert man die Kon­struktionsprinzipien der Häuser von Rossetti+Wyss eingehender, in ihnen mehr Anregungen für das städtische Bauen, als man auf den ersten Blick vielleicht meint. Warum nicht auch in einem Berliner Geschosswohnungsbau einmal eine Ortbetondecke auf Massivholzwände gießen? Oder als zeitgemäße Version einer Holzbalkendecke dort Eichendielen-Beton-Verbunddecken einbauen?