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Selbstreflexion. Morger Partner Architekten entwerfen ihre eigene Zukunft
By Jan Friedrich

Review

Viele Architekturbüros stehen irgendwann vor dieser Herausforderung: Wie soll es weitergehen, wenn die Gründergeneration ausscheidet, deren sehr persönliche Haltung zur Architektur die Arbeit des Büros geprägt hat? Sofort fallen einem eine Menge Beispiele ein, wo die Staffelübergabe an die nächste Generation nicht gut funktioniert hat. Wo ein renommiertes Büro nach dem Rückzug der Gründer zwar am Markt weiter erfolgreich geblieben ist, seine einstige Innovationskraft aber verloren hat. Wo die Nachfolger an einer für das Büro typischen Formensprache hängenblieben, die, ohne neue inhaltliche Impulse, im Laufe der Zeit zum Formalismus erstarrte. Gibt es Rezepte, das zu verhindern?

Die aktuelle Schau in der Architektur Galerie Berlin von Morger Partner Architekten präsentiert eine mögliche Versuchsanordnung, wie sich die Identität eines Büros über den Generationenwechsel hinweg fortschreiben lässt. Das Schweizer Büro befindet sich in genau diesem Transformationsprozess: Meinrad Morger, der 1988 mit Heinrich Degelo das Morger & Degelo in Basel gründete, es ab 2006 als Morger + Dettli weiterführte und 2015 in Morger Partner Architekten umfirmierte, übergab 2019 die Unternehmensleitung an seine langjährigen Partner Martin Klein und Henning König.

Das Büro nutzt seine von Andreas Ruby, dem Direktor des Schweizerischen Architekturmuseums, kuratierte Ausstellung in Berlin zu einer Art öffentlicher Selbstreflexion. Unter dem Motto „Was War Was Wird“ veranstalteten die Architektinnen und Architekten einen bürointernen Stegreif, bei dem sie sich 22 Projekte aus der Bürogeschichte vornahmen und Szenarien erdachten, wie sich diese Bauten in den kommenden Jahren und Jahrzehnten wohl weiterentwickeln könnten.

Sieht man die Ergebnisse, die in der Ausstellung jeweils auf der Vorder- und Rückseite eines freistehenden Displays (eine Interpretation von Lina Bo Bardis Standmodul für das Museu de Arte de São Paulo) präsentiert werden – dann kann man sich vorstellen, dass eine solche Arbeit an der Geschichte des eigenen Büros und seiner möglichen Zukunft ganz sicher zu anregenden, vermutlich auch kontroversen Diskussionen geführt haben muss. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es dafür zum Teil an Ikonen des Schweizer Minimalismus der Jahrtausendwende Hand anzulegen galt.

Dem perfekt proportionierten weißen Rechtkant der Hilti Art Foundation in der liechtensteinischen Hauptstadt Vaduz ein weiteres Geschoss quasi zwischenzuschieben, um es zum „Hilti Art Theatre“ zu erweitern, oder dem Messeturm in Basel außer seinem in sieben Metern Höhe schwebenden Foyer zwei weitere auskragende Baukörper anzuhängen, in der Erwartung, dass die Schweiz in der Zukunft kräftig wird in die Höhe bauen müssen – dazu muss man erst einmal den Mut haben! Architekten, die derart souverän mit den Bauten des eigenen Büros umgehen, ist es zuzutrauen, dass sie die Essenz dessen, was die Arbeit ihrer Vorgänger einst bedeutend machte, so verinnerlicht haben, dass sie sie in zukünftige Projekte überführen können.

Ganz nebenbei präsentieren Morger Partner Architekten mit „Was War Was Wird“ eine Vision nicht nur für den Fortbestand ihrer eigenen Bauten, sondern auch für die Architektur Galerie Berlin. Mit der räumlichen Wirkung, die die vollkommen verspiegelte lange Rückwand des Ausstellungsraums erzeugt, scheinen sie sagen zu wollen: Diese Berliner Institution hat erhebliches Zukunftspotenzial, die Architektur Galerie Berlin könnte gut und gerne doppelt so groß sein!